Dialog mit der Praxis
So ungefähr könnte ein klassischer Entwicklungsprozess aussehen:
- Leistungsmerkmale zusammentragen (Pflichtenheft),
- Software entwickeln,
- Software testen,
- Software den Anwendern geben
Nun hat aber das Kapitel "Contact" bereits gezeigt, dass
- der praktische Gebrauch Rückwirkungen auf bereits entwickelte Leistungsmerkmale hat
- Ideen unter Umständen gut klingen, aber praktisch keine Relevanz entfalten. Das heißt, als realisierte Funktionen will sie niemand wirklich einsetzen.
Das legt nahe, obiges Modell so abzuwandeln, dass Leistungsmerkmale nicht mehr im Vorhinein zusammengetragen werden, sondern dass man sie aus den Bedürfnissen laufender Anwendung entstehen lässt.
Das ist der Dialog mit der Praxis: Die Weiterentwicklung eines Systems ab der Basisapplikation durch die laufende praktische Anwendung mitbestimmen zu lassen.
Es ist nämlich ein Unterschied, ob ein Leistungsmerkmal einer theoretischen Idee entspringt oder ob aus laufender Anwendung ein emotionales Bedürfnis nach einer Funktion entsteht. So wie das System als solches durch ein emotionales Bedürfnis nach Erfüllung eines Zwecks hervorgerufen wird, kann man es auch mit den einzelnen Teilfunktionen halten.
Selbstverständlich gibt es Leistungsmerkmale, über die man sich bereits im Vorhinein sicher ist. Aber gerade bei der Definition der Leistungsmerkmale gibt es den Effekt, dass man sich an langen Listen von Funktionen und immer neuen Funktionsideen regelrecht berauschen kann. Dieser Rausch findet von alleine kein Ende. Das Ergebnis sind Systeme voller Funktionen, von denen der Anwender keine 5 Prozent tatsächlich verwendet.